Leben,  Vergangenheit

Wie erklärt man einem Kind eigentlich Krebs!?

Mit dem Thema Krebs habe ich mich nie wirklich beschäftigt, weil bisher niemand aus dem wirklich engeren Familienkreis betroffen war.2015 hat sich dies geändert. Meine Mutter bekam die Diagnose Lungenkrebs.Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht wie man das beschreiben soll. Diese Leere, die mit der Diagnose kam.

Ich weiß noch wie heute, als ich mit meinem Freund in das Krankenhaus kam und mein Bruder auf mich zu kam. Die Diagnose Lungenkrebs kannte ich bereits, aber das der Krebs bereit gestreut hat, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht.

 Er sagte:” Die Mama hat Metastasen im Kopf. Wir müssen jetzt das Beste daraus machen”

 So überfordert wie ich mit der Situation war, wollte ich erstmal einfach nur weg. Für mich bedeutete diese Diagnose direkt, dass ich meine Mutter verliere. Ich blieb dann trotzdem und wartete darauf das sie aus dem Untersuchungszimmer kam. Das einzige was hier am Besten jetzt passt, ist die Songzeile aus dem Lied von der Band PUR – In Gedanken, welches auch auf ihrer Trauerfeier lief. 
“Doch sie wollte kein Mitleid mit Löwinnenmut lachte sie weiter als ging es ihr gut.Ich sah sie und weinte sie tröstete mich ja das war echte Größe mir war jämmerlich”
Genau ist es auch geschehen, ich bin in Tränen ausgebrochen und sie nahm mich in den Arm lächelte mich an und sagte dann, dass wir das schon schaffen werden, wir haben schließlich schon anderes überstanden. Mit anderes meinte sie wohl den Verlust ihres Ehemannes, meinem Vater. 
Auch diese Zeilen: 

 Sie war noch zuversichtlich nach dem ersten Befund  und sie glaubte und hoffte denn es gab keinen Grund. Von Gerechtigkeit hielt  diese Krankheit nicht viel  sie verfolgte heimtückisch und sinnlos ihr Ziel.

passten so sehr zu uns, in dem Sinne das ganze Lied.  Die Hoffnung die wir hatten, war das einzige was uns noch blieb. Einige Wochen später begann sie mit der Bestrahlung des Lungentumors, diese Therapie hat ihr die letztendlich die Kraft geraubt. Nach der Bestrahlung ist sie kurzzeitig nochmal aufgeblüht, in dieser Zeit habe ich wirklich gedacht, dass wir es geschafft haben, dass sie damit noch länger leben kann. Dann kam der rapide Abbau.In all der Zeit war ich stets an ihrer Seite. Heute frage ich mich, wo ich mit meinem damals 21 Jahren diese Kraft hergenommen habe für sie stark zu sein, sie zu pflegen. Seit dem sie mich dort einmal im Krankenhaus weinen sehen hat, habe ich mir nie die Blöße gegeben vor ihr zu weinen, wie schwer es in diesem Moment auch gewesen war. Schließlich habe ich ihr versprochen, dass ich stark bin, dass wir Beide das schon schaffen. 
Sie wollte unbedingt noch etwas von der  kleinen “Welt” in Nordrhein-Westfalen sehen. Diesen Wunsch habe ich ihr zusammen mit meinem Freund erfüllt. Im Nachhinein war das für sie, denke ich, eine Art Abschiedstour. Als es ihr noch gut ging, war es quasi Alltag das wir am Wochenende, gerade am Sonntag zu Verkaufsoffenen Sonntagen durch NRW tuckern.

Am 05.10.2015 hatte meine Mama Geburtstag. Schon 2 Tage zu vor, fragte ich sie, ob wir nicht lieber ihre Geburtstagsfeier absagen sollen, weil es ihr nicht gut ging und sie viel schlief. Sie bestand aber darauf ihren Geburtstag zumindest mit ihren Kindern und Enkelkindern zu feiern.So backte ich also noch 2 Torten für meine Mama. Mittlerweile verstehe ich warum sie so sehr drauf bestand ihren Geburtstag mit all ihren Kindern zu verbringen. Sie wollte alle nochmal sehen um “Lebe wohl” zu sagen. 
Ich ahnte es wohl schon, dass es zu Ende geht, an ihrem Geburtstag habe ich schon zu einer meiner Schwestern gesagt, dass sie ja weiß, wenn was mit Mama passieren sollte, dass sie auch für ihre Kinder das Erbe ablehnen muss.

Am 06.10.2015 habe ich mir zum ersten Mal eine “Auszeit” gegönnt und bin mit meinem Bruder, meinem Neffen und meinem Freund in das Kino gefahren. Alles steht Kopf haben wir uns damals angesehen. Wer ahnte, dass noch am selben Tag wirklich alles Kopf stehen würde!?
Abends gegen 23 Uhr, ging ich wie die Wochen zu vor auch immer in ihr Schlafzimmer und fragte ob alles okay sei und ob sie noch was benötige. Diesmal war alles anders. 
Sie sah mich mit Tränen in den Augen an, schüttelte den Kopf und sagte zu  mir nur: “Anni, ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr, Anni!”“Was kannst du nicht? Wir schaffen das! Du hast doch gesagt zusammen schaffen wir Alles!? Ich brauch’ dich doch, dass bekommen wir alles hin” – war meine Antwort darauf.

In diesem Moment legte sich in mir ein Schalter um, ich habe nur noch funktioniert.Habe meinem Bruder angerufen, dass er schnell vorbei kommen soll. Im ernsten Ton habe ich meinem Freund befohlen, dass er meinem Neffen, der bei uns schlafen wollte, in meinem Zimmer die Konsole anbauen soll und ihm sagen soll, dass er nicht raus kommen soll, solange bis ich reinkomme. Mein Freund dachte in dem Moment, dass ich bekloppt bin, aber in dem Moment wusste ich genau was ich tat. 
Ich war die ganze Zeit bei ihr und bin wirklich froh, dass ihre letzten Worte auf Erden mir gegolten haben.“Ich hab dich ganz doll lieb, vergiss das nie!”
Ich war die Ruhe in Person, habe selbst noch den Notarzt angerufen. Als er mich vor die Wahl gestellt hat, ob er wiederbeleben soll und sie damit vielleicht noch ein paar Tage womöglich im Koma habe, habe ich verneint. Sie sah so glücklich aus, als sie sagte, dass ihr Mann da sei. Das ist der einzige Trost für mich, zu wissen, dass sie abgeholt wurde. 
Mittlerweile ist schon über ein Jahr vergangen seit dem sie gegangen ist und es tut immer noch so weh, als sei es gestern erst passiert.

 Der Grund warum ich diesen Beitrag eigentlich schreibe, ist der, da meine kleine Nichte mich diese Woche gefragt hat, was denn Krebs eigentlich sei. 
Zunächst wusste ich gar nicht was ich drauf antworten soll. Man kann einem 6 Jährigen Kind ja nicht von Krebszellen und Metastasen erzählen. Ehrlich gesagt, weiß ich immer noch nicht recht wie ich es erklären sollte.
Ich habe es ihr erklärt, dass bei der Oma im Körper “ganz fiese Pickel” entstanden sind. Diese “Pickel” sind dafür verantwortlich, dass die Oma immer schwächer wurde. Und man kann diese “Pickel” auch nicht zerstören ohne die Oma zu verlieren. 

 Ehrlich gesagt, finde ich dieses Thema echt schwierig.

War schon jemand in ähnlicher Situation? Wie habt ihr es einem Kind erklärt? 

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